In einem aktuellen Verfahren vor dem Landgericht Bonn konnten wir für unseren Mandanten einen wichtigen Erfolg erzielen: Die Klage einer privaten Krankenversicherung (PKV) auf angebliche Beitragsschulden wurde vollständig abgewiesen. Außerdem hatte auch unsere Gegenklage Erfolg. Das Gericht stellte klar, dass die Versicherung keinerlei Ansprüche mehr gegen unseren Mandanten hat.
Die Versicherung hatte versucht, rückwirkend für verschiedene Zeiträume immer wieder einzelne Beiträge einzuklagen. So entstand für unseren Mandanten der Eindruck, dass nach und nach eine hohe Nachzahlung gefordert werden sollte. Durch die erfolgreiche Widerklage ist nun aber eindeutig entschieden, dass keine weiteren Forderungen aus dem alten Vertrag mehr bestehen.
Beitragsschulden als Auslöser des Rechtsstreits
Unser Mandant, ein indischer Staatsangehöriger, hatte im Jahr 2015 über einen Vermittler einen Vertrag über eine private Krankenversicherung in Deutschland abgeschlossen. Im Antragsformular waren zwar Angaben zu seinem befristeten Aufenthalt in Deutschland enthalten, jedoch fand sich dort kein ausdrücklicher Hinweis auf eine zeitliche Begrenzung der Vertragslaufzeit. Der Versicherungsschein enthielt ebenfalls keine Befristung.
Bereits Mitte 2015 war der Beklagte nach Australien verzogen und leistete seitdem keine Prämienzahlungen mehr. Im Oktober 2015 teilte er dem Vermittler der Klägerin per E-Mail mit, dass er Deutschland verlassen habe. Weitere Kommunikation erfolgte nicht. Erst Jahre später, nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2022, sah er sich mit Klageforderungen konfrontiert.
Die Klägerin stützte sich auf die vorliegenden Versicherungsscheine, die unbefristet ausgestaltet waren. Sie vertrat die Auffassung, dass der Vertrag weitergelaufen sei und daher entsprechende Prämienforderungen entstanden seien. Der Beklagte berief sich hingegen darauf, dass er den Vertrag nur befristet für die Dauer seiner Tätigkeit in Deutschland habe abschließen wollen. Zudem sei die E-Mail vom Oktober 2015 als wirksame Kündigung zu verstehen. Jedenfalls könne die Versicherung nach so vielen Jahren ohne Kommunikation keine Beiträge mehr verlangen.
Beweisaufnahme vor Gericht: Keine Befristung, aber wirksame Kündigung per E-Mail
Das Gericht hörte sowohl den Vermittler als auch eine weitere Zeugin. Dabei ergaben sich keine überzeugenden Hinweise darauf, dass der Vertrag tatsächlich von Anfang an befristet abgeschlossen worden war. Zwar hatte der Beklagte auf seinen Aufenthaltstitel verwiesen, doch ließ sich daraus keine klare vertragliche Begrenzung ableiten.
Gleichzeitig stellte das Gericht jedoch fest, dass die Mitteilung des Beklagten per E-Mail, er habe Deutschland verlassen, aus Sicht der Versicherung als Kündigung zu werten war. Denn die Erklärung, verbunden mit der sofortigen Einstellung der Zahlungen, konnte vernünftigerweise nur als Beendigung des Vertrags verstanden werden. Die formellen Anforderungen an eine Kündigung – Textform – waren durch die E-Mail erfüllt.
Das Urteil: Kündigung wirksam und Krankenkasse darf sich nicht rückwirkend auf Nachzahlung berufen
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Klage unbegründet war:
- Zwar bestand ursprünglich ein wirksamer Krankenversicherungsvertrag.
- Eine Befristung konnte der Beklagte nicht beweisen.
- Jedoch hat der Beklagte den Vertrag mit seiner E-Mail vom 21.10.2015 wirksam gekündigt.
Darüber hinaus stellte das Gericht klar: Selbst wenn man die Kündigung nicht als formal wirksam ansehen wollte, wäre die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf angebliche Beitragsforderungen zu berufen. Denn sie hätte die E-Mail zumindest zum Anlass nehmen müssen, den Beklagten über seine Rechte und Pflichten bei einem Wegzug ins Ausland zu informieren. Ein solcher Hinweis erfolgte aber nicht. Vielmehr herrschte jahrelang Funkstille, sodass der Beklagte berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass keine Ansprüche mehr bestehen.
Rechtssicherheit durch erfolgreiche Widerklage
Mit unserer Widerklage wollten wir klären lassen, dass der Klägerin keine weiteren Ansprüche mehr zustehen. Dem ist das Gericht gefolgt. Es stellte fest, dass die Klägerin auch über die im Klagezeitraum geltend gemachten Forderungen hinaus keine Beitragsansprüche aus dem Vertrag mehr herleiten kann. Damit ist für unseren Mandanten endgültige Rechtssicherheit geschaffen.
Nachforderungen der privaten Krankenversicherung: Was Versicherte wissen sollten
Wann darf die private Krankenkasse Nachzahlungen verlangen?
Ein Versicherer darf von seinen Versicherten grundsätzlich nur für die vereinbarten Versicherungsbeiträge Zahlungen verlangen. Eine nachträgliche Forderung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig:
- Rückwirkende Beiträge: Eine private Krankenversicherung kann rückwirkend Beiträge verlangen, wenn sie den Versicherten rechtzeitig auf ausstehende Zahlungen hingewiesen hat. Dabei dürfen die Forderungen in der Regel nicht länger als drei Monate rückwirkend gestellt werden. Längere Zeiträume müssen besonders begründet sein.
- Säumniszuschläge: Kommt ein Versicherter mit der Zahlung seiner Beiträge in Verzug, kann der Versicherer zusätzlich Säumniszuschläge erheben, allerdings nur in der vertraglich vereinbarten Höhe.
- Tarifwechsel oder Notlagentarif: Bei einem Tarifwechsel oder wenn der Versicherte in einen Notlagentarif wechselt, kann der Versicherer ebenfalls nachträglich Beträge für die Zeit bis zum Tarifwechsel verlangen, soweit diese vertraglich vorgesehen sind.
Wichtig ist: Die Versicherung muss die Forderungen klar und nachvollziehbar darstellen. Unklare oder überhöhte Beträge kann der Versicherte zurückweisen. Wer sich rechtzeitig absichert, kann vermeiden, dass der Versicherer mehr als drei Monate rückwirkend Beiträge nachträglich einfordert.
Was tun bei Beitragsschulden?
- Rechnungen prüfen: Prüfen Sie jede Forderung sorgfältig und hinterfragen Sie Unklarheiten sofort.
- Fristen im Blick behalten: Nachforderungen für mehr als drei Monate rückwirkend sind nur selten zulässig.
- Belege sammeln: Alle Unterlagen wie Schriftwechsel, E-Mails und Kontoauszüge aufbewahren.
- Tarifwechsel prüfen: Vor Änderungen im Tarif die Bedingungen genau kontrollieren, um spätere Nachzahlungen zu vermeiden.
- Fachlichen Rat einholen: Bei Unsicherheiten können Anwalt für private Krankenversicherung oder Verbraucherschutz helfen, überhöhte Forderungen abzuwehren.
Fazit
Das Urteil zeigt deutlich zwei Dinge: Erstens können Versicherer nicht einfach Jahre später noch Forderungen stellen, wenn der Vertrag faktisch bereits beendet war und sie selbst keine Initiative zur Klärung ergriffen haben. Zweitens bestätigt die Entscheidung, dass selbst formlose Mitteilungen, wie eine einfache E-Mail, rechtlich als Kündigung ausreichen können, wenn klar erkennbar ist, dass der Versicherte den Vertrag beenden wollte.
Für unseren Mandanten bedeutet das nicht nur den vollständigen Sieg im Verfahren, sondern auch die Gewissheit, dass keine weiteren Forderungen aus diesem Vertrag mehr drohen. Versicherte können daraus lernen: Früh reagieren, klare Mitteilungen machen und Belege aufbewahren, schützt vor überraschenden Nachforderungen.
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