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Neues Urteil: Versicherungsnehmern steht Verzinsung von Versicherungsleistungen nach § 91 VVG zu

Das Landgericht Koblenz hat mit einem Urteil vom 29.10.2025 (Az. 14 O 38/25) klargestellt, was viele Versicherungsnehmer seit Jahren einfordern: Entschädigungsleistungen sind nach § 91 Satz 1 VVG mit 4 % p. a. zu verzinsen und zwar bereits ab einem Monat nach Schadenanzeige, unabhängig davon, ob die Leistung schon fällig ist.

Im konkreten Fall musste der Versicherer 39.637,16 € an Zinsen zahlen, zusätzlich zur eigentlichen Entschädigung, und die Kosten des Rechtsstreits übernehmen. Damit stärkt das Urteil die Position von Versicherten, deren Schadensregulierung sich über Monate oder gar Jahre hinzieht.

Das Urteil im Überblick

Das LG Koblenz befasste sich mit einer grundlegenden Frage: Ab wann muss ein Versicherer eine Entschädigung verzinsen, wenn die Auszahlung auf sich warten lässt?

Nach Auffassung des Landgerichts ist der Zinssatz von 4 % pro Jahr in § 91 VVG eindeutig geregelt. Er greift automatisch, sobald ein Monat nach der Schadenanzeige vergangen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versicherer die Versicherungsleistung schon als „fällig“ anerkannt hat oder ob noch Fragen zur Schadenshöhe bestehen. Der Gedanke dahinter: Der Versicherer behält das Geld während der Prüfung, der Versicherungsnehmer dagegen wartet. Damit der Versicherer keinen ungerechtfertigten Zeitvorteil hat, schuldet er Zinsen. Diese sind kein „Verzugszins“ (also keine Strafe für verspätete Zahlung), sondern eine gesetzlich vorgesehene Entschädigung für den entgangenen Nutzen des Geldes.

Bemerkenswert deutlich weist das LG Koblenz zudem das übliche Gegenargument zurück, man müsse versicherungsnehmerseitige Verzögerungen auch nach Ablauf der Monatsfrist anrechnen: Ist die Frist einmal abgelaufen, kann sie nicht mehr gehemmt werden. Der Versicherer bleibt also zur Verzinsung verpflichtet – selbst wenn der Versicherungsnehmer später Unterlagen verspätet liefert oder ein Sachverständigenverfahren (zunächst) ablehnt. Die Kammer stützt sich dabei auch auf die Rechtsprechung des BGH zur vergleichbaren Klausellage. 

  • Zinsen ab einem Monat nach Schadenanzeige: Der Versicherer muss die Entschädigung mit 4 % p. a. verzinsen egal, ob die Leistung schon fällig ist.
  • Keine Hemmung nach Fristablauf: Verzögerungen durch den Versicherungsnehmer (z. B. verspätete Unterlagen) stoppen die Verzinsung nicht mehr, sobald der erste Monat vorbei ist.
  • Klarer Unterschied zu Verzug: Die Zinsen nach § 91 VVG sind kein Verzugsschaden, sondern eine gesetzliche Gegenleistung für den Zeitvorteil des Versicherers.
  • Verzugszinsen zusätzlich möglich: Ab Mahnung kann der Versicherungsnehmer auf die laufenden Zinsbeträge zusätzliche Verzugszinsen verlangen (5 %-Punkte über dem Basiszinssatz).
  • Praxisrelevant für viele Sparten: Besonders bedeutsam in Sachversicherungen (z. B. Wohngebäude-, Hausrat- oder Betriebsunterbrechungsversicherung).

Praxisrelevanz: Das betrifft nicht nur Flut- und Großschäden

Die Entscheidung betrifft alle Sparten, in denen § 91 VVG anwendbar ist, insbesondere Sachversicherungen wie Wohngebäude, Hausrat, Inhalts- und Betriebsunterbrechung. Für viele Betroffene mit offenen oder schleppend regulierten Schäden ist das Urteil ein starkes Argument, um gesetzliche 4 %-Zinsen durchzusetzen. Zugleich zeigt es: Abschlags- und Teilzahlungen entbinden nicht von der Zinszahlung, vielmehr ist jede Zahlung für den jeweiligen Zeitraum zu verzinsen, und zwar taggenau, wie hier die Gerichtsberechnung auf Basis der einzelnen Auszahlungstermine belegt. 

Besonders betroffen sind folgende Versicherungssparten:

  • Wohngebäudeversicherung: Etwa bei Brand-, Leitungswasser-, Sturm- oder Hagelschäden.
  • Hausratversicherung: Bei Einbruch, Wasserschäden oder Verlust durch Feuer.
  • Inhaltsversicherung (für Unternehmen): Wenn Betriebseinrichtungen oder Waren beschädigt werden.
  • Betriebsunterbrechungsversicherung: Wenn ein Unternehmen aufgrund eines Schadens vorübergehend stillsteht.
  • Kfz-Kaskoversicherung: Bei Totalschäden, Diebstahl oder Reparaturverzögerungen.
  • Transport- und Elektronikversicherungen: Bei Verlust oder Defekt von Geräten und Lieferungen.

Unsere Leistungen im Zins- und Regulierungsmanagement

Als Kanzlei, die Versicherungsnehmer im Großschaden umfassend begleitet, bieten wir:

  1. Zins-Check § 91 VVG: Wir prüfen schnell und belastbar, ab wann die Monatsfrist lief, welche Teilzahlungen erfolgt sind und welcher Zinsbetrag Ihnen zusteht – einschließlich Berechnungsdokumentation, die Gerichte akzeptieren. (Im Koblenzer Fall: 39.637,16 € aus den konkret datierten Auszahlungen.) 
  2. Durchsetzung außergerichtlich: Verzinsungsanspruch außerhalb des Fälligkeitssystems des § 14 VVG klar adressieren, Fristen setzen, Abschläge/Vorschüsse zusätzlich geltend machen und die Mahnstaffel für Verzugszinsen sauber aufbauen. 
  3. Prozessführung: Erforderlichenfalls gerichtliche Geltendmachung mit gezielter Entkräftung typischer AVB-Einwände (z. B. § 23 VGB) und der „Hemmung nach Fristablauf“-Argumentation, die das LG Koblenz ausdrücklich verworfen hat. 
  4. Parallel-Steuerung der Regulierung: § 14 VVG-Abschlagszahlungen sichern Liquidität; Sachverständigenverfahren (zeitwert/neuwert) strategisch begleiten, Belegketten aufbauen und Verjährung über § 203 BGB managen. (Das Urteil erklärt übrigens, warum Verzinsung der Entschädigung unabhängig von der Fälligkeit laufen, ein zentrales Hebelargument gegenüber Versicherern.) 
  5. Transparente Kommunikation: Sie erhalten tabellarische Zinsläufe, Musterschreiben an den Versicherer und , wenn nötig, gerichtsfeste Anlagen für die Klagebegründung.

Der § 91 VVG

Der § 91 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) regelt den Zinsanspruch des Versicherungsnehmers bei verzögerter Auszahlung von Entschädigungen. Er ist eine eigenständige Anspruchsgrundlage, unabhängig davon, ob sich das Versicherungsunternehmen bereits im Verzug befindet oder nicht.

👉 Einen ausführlichen Fachartikel dazu finden Sie in unserem Beitrag: Zinsanspruch bei Auszahlungsverzug der Versicherung nach § 91 VVG

Höhe der Verzinsung

Der gesetzliche Zinssatz beträgt 4 % pro Jahr (§ 91 Satz 1 VVG). Diese Zinsen sind nicht verhandelbar und gelten automatisch, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind, unabhängig von der Art des Versicherungsvertrags.

Ab wann ist der Zins fällig

Die zu zahlende Entschädigung ist nach Ablauf eines Monats ab der Schadenanzeige zu verzinsen. Das heißt: Der Versicherungsnehmer muss den Schaden melden, und nach Ablauf von 30 Tagen läuft der Zinsanspruch, auch wenn die Entschädigung noch nicht fällig ist.

§ 91 Satz 2 VVG und § 91 VVG

§ 91 Satz 1 VVG: Regelt den grundsätzlichen Zinsanspruch ab einem Monat nach Schadenanzeige.

§ 91 Satz 2 VVG: Schützt das Versicherungsunternehmen innerhalb dieses ersten Monats, wenn die Feststellung des Schadens durch Verschulden des Versicherungsnehmers verzögert wird.

Nach Ablauf des Monats gilt dieser Schutz nicht mehr. Die Verzinsung läuft dann unabhängig von späteren Verzögerungen weiter.

Fazit

Das LG Koblenz sendet ein deutliches Signal: Verzögerte Regulierung kostet in Form gesetzlicher Zinsen. Versicherer können sich nicht hinter angeblichen Mitwirkungsmängeln nach Ablauf der Monatsfrist verstecken. Zinsen laufen, bis gezahlt ist. Für Versicherungsnehmer bietet diese Entscheidung eine klare Grundlage, berechtigte Zinsansprüche souverän und nachdrücklich einzufordern, notfalls gerichtlich. Wir unterstützen Sie dabei umfassend: von der Berechnung über die Verhandlung bis zur Durchsetzung. Sprechen Sie uns an. Wir prüfen kurzfristig, welcher Zinsbetrag Ihnen zusteht und wie wir ihn effektiv realisieren.

Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig anfechtbar; die grundsätzlichen Aussagen zu § 91 VVG sind jedoch wortlaut- und systemkonform begründet und stehen im Einklang mit der Literatur, auf die die Kammer verweist. Für die Durchsetzung in Ihrem Fall kommt es auf Anzeigezeitpunkt, Zahlungsdaten und Korrespondenzlage an – wir übernehmen die individuelle Prüfung und setzen Ihre Ansprüche durch.

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