Viele Versicherte geraten in Panik, wenn ihre private Krankenversicherung (PKV) plötzlich kündigt oder vom Vertrag zurücktritt. Häufig erfolgt dies mit der Begründung, es sei bei der Antragstellung eine Pflichtverletzung, etwa bei den Gesundheitsangaben, passiert. Die Folge: Versicherte stehen ohne Schutz da und wissen oft nicht, wie sie reagieren sollen.
Doch Verzweiflung ist fehl am Platz. Rücktritt oder Kündigung sind nicht immer rechtlich haltbar. Mit der richtigen rechtlichen Unterstützung lassen sich solche Entscheidungen oft anfechten und der Versicherungsschutz kann wiederhergestellt werden.
Was ist eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung?
Die vorvertragliche Anzeigepflicht verpflichtet Versicherungsnehmer, beim Vertragsabschluss gegenüber dem Krankenversicherer alle relevanten Informationen zu ihrem Gesundheitszustand wahrheitsgemäß anzugeben. Dazu gehören frühere Krankheiten, Behandlungen oder Krankenhausaufenthalte, die für die Versicherung wichtig sein könnten.
Wer diese Pflicht verschweigt oder falsche Angaben macht, begeht eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung. Dabei kommt es auf die Art des Verschweigens an:
- Vorsätzlich: Sie geben bewusst falsche Informationen an, um den Abschluss zu erleichtern.
- Grobe Fahrlässigkeit: Sie haben wichtige Informationen nicht angegeben, obwohl Sie leicht hätten wissen müssen, dass diese relevant sind.
Die Konsequenzen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung können unterschiedlich sein:
- Der Krankenversicherer kann den Vertrag anfechten.
- In manchen Fällen kann er einen Risikozuschlag verlangen, statt den Vertrag vollständig zu kündigen.
- Nur in gravierenden Fällen kann der Rücktritt oder die Kündigung des Vertrags erfolgen.
Wichtig zu wissen: Nicht jede unvollständige oder missverständliche Angabe führt automatisch zu einer Rücktrittserklärung. Versicherer müssen nachweisen, dass die fehlenden Angaben den Vertragsabschluss tatsächlich beeinflusst hätten.
Rechtliche Grundlage laut § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Der § 19 VVG regelt die Folgen, wenn ein Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Demnach kann der Krankenversicherer in bestimmten Fällen:
- vom Vertrag zurücktreten,
- den Vertrag kündigen oder
- einen Risikozuschlag verlangen.
Wichtig zu wissen:
- Ein Rücktritt ist nur möglich, wenn die fehlenden oder falschen Angaben den Abschluss des Vertrags beeinflusst hätten.
- Es wird unterschieden zwischen vorsätzlichem Verschweigen und grob fahrlässiger Angabe.
- Bei unabsichtlichen Fehlern oder Missverständnissen ist ein Rücktritt in der Regel nicht erlaubt.
Mit anderen Worten: § 19 VVG schützt Versicherer davor, getäuscht zu werden, stellt aber gleichzeitig sicher, dass Versicherte nicht wegen kleiner oder unklarer Angaben benachteiligt werden.
Aktueller Fall aus der Kanzlei
Private Krankenversicherung spricht Kündigung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht aus
Ein aktueller Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich bei Problemen mit der privaten Krankenversicherung (PKV) nicht vorschnell mit einer Kündigung oder Rücktrittserklärung abzufinden. Die Fachanwaltskanzlei Kraemer.Law konnte für einen Mandanten erreichen, dass die HanseMerkur Krankenversicherung AG ihren erklärten Rücktritt vom PKV-Vertrag zurücknimmt und damit der Versicherungsschutz wiederhergestellt wird.
Unser Mandant hatte sich im Frühjahr 2024 für einen Wechsel in die private Krankenversicherung entschieden und sich für einen Tarif der HanseMerkur entschieden. Die Antragstellung erfolgte telefonisch über eine Vermittlungsagentur. Dabei wurden die Gesundheitsfragen nicht einzeln vorgelesen, sondern pauschal nach bekannten Vorerkrankungen gefragt. Unser Mandant beantwortete diese Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Er berichtete über einen kurzen Krankenhausaufenthalt wegen Dehydrierung und Bluthochdruck, bei dem auch ein psychischer Hintergrund vermutet, aber nicht bestätigt wurde. Ebenso erwähnte er zwei Tage Arbeitsunfähigkeit wegen Rückenschmerzen, in einem ärztlichen Attest fälschlich als „Bandscheibenvorfall“ bezeichnet, obwohl dieser medizinisch nie vorlag.
Psychologische Behandlungen hatte er nie in Anspruch genommen. Dennoch erklärte die HanseMerkur im Juni 2025 den Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag mit der Begründung, es sei eine Anzeigepflichtsverletzung nach § 19 VVG erfolgt.
Rücktritt wegen Anzeigepflichtverletzung war unrechtmäßig
Nach Erhalt der Rücktrittserklärung beauftragte unser Mandant unsere Kanzlei, die Situation rechtlich zu prüfen. Unser Mandant war zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben und dringend auf die Leistungen aus seinem Krankentagegeldtarif angewiesen.
In unserem Schreiben vom 28.07.2025 (Az. 166/25) erklärten wir, dass der Rücktritt der Versicherung rechtlich nicht begründet ist. Außerdem forderten wir die Versicherung auf, alle relevanten Unterlagen zum Antrag offenzulegen und dem Mandanten eine vollständige Übersicht seiner gespeicherten Daten gemäß § 3 VVG und Art. 15 DSGVO zu geben.
Zu unseren wesentliche Argumente unserer rechtlichen Analyse gehörten:
- Die Gesundheitsfragen wurden unvollständig und missverständlich gestellt.
- Der Versicherungsnehmer hatte nach bestem Wissen geantwortet.
- Eine etwaige Fehlinterpretation durch die Agentur kann nicht zu Lasten des Kunden gehen.
- Die Rücktrittserklärung wurde dem Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß zugestellt, was zusätzlich zur Unwirksamkeit führte.
Dank unserer rechtlichen Intervention hat die HanseMerkur den Rücktritt vom Vertrag zurückgenommen. Der Versicherungsschutz unseres Mandanten bleibt bestehen, und alle vertraglich vereinbarten Leistungen, einschließlich des Krankentagegeldes, werden weiterhin gewährt.
Tipps für Versicherte: So reagieren Sie auf die Kündigung des Versicherers richtig
Wenn Sie von Ihrer privaten Krankenversicherung eine Kündigung oder eine Leistungsablehnung erhalten, sollten Sie nicht vorschnell handeln. Folgende Schritte helfen Ihnen:
- Schreiben prüfen, Ruhe bewahren: Lesen Sie die Mitteilung genau und notieren Sie Fristen oder Angaben, die unklar sind.
- Nicht vorschnell unterschreiben: Unterzeichnen Sie keine Vereinbarungen, die den Rücktritt oder die Ablehnung bestätigen.
- Unterlagen anfordern: Fordern Sie alle relevanten Antragsunterlagen und Ihre gespeicherten Daten gemäß § 3 VVG und Art. 15 DSGVO an.
- Fachanwalt für Versicherungsrecht einschalten: Ein spezialisierter Anwalt kennt die Argumentationsstrategien der Versicherer und kann prüfen, ob der Rücktritt oder die Ablehnung rechtlich haltbar ist.
- Fristen beachten und reagieren: Antworten Sie schriftlich und fristgerecht. Oft lassen sich Rücktritte oder Ablehnungen erfolgreich anfechten, wenn sie formell oder inhaltlich fehlerhaft sind.
Warum rechtliche Unterstützung bei einer Anzeigepflichtverletzung in der PKV für den Versicherungsschutz entscheidend ist
Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie schnell eine PKV den Rücktritt erklärt und wie oft dies rechtlich nicht haltbar ist. Viele Versicherungsnehmer geben in solchen Fällen vorschnell auf oder verzichten aus Angst auf ihre berechtigten Ansprüche.
Dabei ist gerade bei PKV-Rücktritt, Kündigung oder der Ablehnung von Leistungen die Einschaltung eines Fachanwalts für Versicherungsrecht entscheidend. Wir bei Kraemer.Law kennen die Argumentationsstrategien der Versicherer und wissen, wie man diese rechtlich angreift. Unsere Erfahrung zeigt: In vielen Fällen lässt sich mit fundierter rechtlicher Argumentation ein positiver Ausgang für den Versicherungsnehmer erreichen.
Unser Tipp: Wenn Sie von Ihrer privaten Krankenversicherung ein Rücktrittsschreiben oder eine Leistungsablehnung erhalten haben, sollten Sie dies nicht ungeprüft hinnehmen. Lassen Sie sich von einem spezialisierten Anwalt beraten. Oft sind Rücktrittserklärungen formell oder inhaltlich fehlerhaft und angreifbar.
Kraemer.Law ist Ihre Fachanwaltskanzlei für Versicherungsrecht mit Standorten in Bonn und Köln. Wir vertreten bundesweit Versicherungsnehmer gegenüber privaten Krankenversicherungen und prüfen Ihre Rücktritts- oder Kündigungsfälle mit der gebotenen juristischen Sorgfalt und Durchsetzungskraft.





